Weniger schlecht entscheiden

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Doris Schäfer und Annika Serfass

Nur, wer sich entscheidet, existiert.

Martin Luther


Schlechte Entscheidungen – wer kennt sie nicht? Sie kosten uns Zeit, Nerven, Geld, Partnerschaften, Seelenfrieden. Und leider ist damit nicht automatisch Erfahrung bzw. Erkenntnis gewonnen. Ganz im Gegenteil: oft verharren wir sowohl als Personen als auch als Teams oder Organisationen in unseren eingeschliffenen Entscheidungsmustern. Schade eigentlich, wenn man sich die Bedeutung von Entscheidungen vor Augen führt: Entscheidungen sind – im systemtheoretischen Sinne – das definierende Element für Organisationen. Sie sind sogar „der Stoff, aus dem Organisationen sind“. Denn nur wenn entschieden wird, kann die Organisation weiter bestehen.

Grund genug, Entscheidungen in Veränderungs- und Beratungsprozessen unter die Lupe zu nehmen: Wer darf hier worüber entscheiden? Warum? Woher kommt die Legitimation? Wie wird entschieden? Nach welchen Kriterien und Leitfragen wird entschieden und wo kommen diese her? Leider wird dem Thema Entscheidungen wenig Platz gewidmet in Management- und Beratungsausbildungen. Und auch in den dazugehörigen Büchern.

Dabei gibt es richtig viele gute Bücher über Entscheidungen: wie sie zustande kommen, wie man sie trifft, wie man sie verbessert. Allerdings störte uns an diesen Büchern immer eine Kleinigkeit: sie sind aus einer einzigen Perspektive geschrieben. Es gibt aber nicht nur die rational-analytische Art Entscheidungen zu treffen. Genauso wenig treffen wir alle Entscheidungen intuitiv. Uns drängte sich die Frage auf, ob es ausreicht, sich in einer „Entscheidungsart“ zu bewegen oder ob es nicht vielmehr darum geht, eine breites Entscheidungsrepertoire aus unterschiedlichen Disziplinen aufzubauen, um in den vielfältigen Kontexten, in denen wir uns bewegen, „gute“ Entscheidungen zu treffen. Jeder weiß, dass man nur mit einem Hammer als Werkzeug nicht weit kommt. Aber kommt man wirklich weiter mit einem ganzen Hammer-Set? Also selbst wenn man verschiedene Entscheidungsmethoden anwendet: wechselt man damit automatisch auch das grundlegende Kriterium, nach dem entschieden wird?

Und so konzipierten wir ein Buch: praktisch sollte es sein, mit vielen Entscheidungsmethoden und -tools. Direkt zum selbst anwenden. Aber es sollte noch etwas anderes leisten: zur Reflexion anregen über die grundlegende Perspektive und Haltung, aus der ich oder wir entscheiden.

Die theoretischen Entscheidungsarten auf die wir uns fokussiert haben, sind folgende:

  1. Aus der Ökonomie die Betriebswirtschaftslehre mit der impliziten Entscheidungsleitfrage:
    Was bringt mir/uns am meisten? Hier herrscht das rational-analytische Prinzip: Mit den vorhandenen Mitteln das meiste rausholen – ein funktionaler Zugang.
  2. Gruppendynamik: was ist das Beste für alle?
    Hier geht es darum die Betroffenen an Entscheidungsprozessen zu beteiligen und gemeinsam an einer umsetzbaren/ machbaren zu Lösung arbeitet.
  3. Aus der Soziologie die Systemtheorie: Welche Perspektiven kann ich/können wir einbeziehen?
    Entscheidungssituation werden gesamtheitlich beleuchtet, ein Such- und Findungsprozess wird angeregt, wodurch ganz neue Optionen entstehen.
  4. Aus der Psychologie die Intuition: Was sagt mir mein/unser Bauchgefühl?
    Den Körper und seine Reaktionen wahr- und ernst-zu-nehmen, als wichtigen Hinweisgeber anzuerkennen, darum geht es hier.
  5. Aus der Philosophie die Ethik und Werte: Wofür stehe ich/stehen wir?
    Das eigene Wertgerüst als Entscheidungsgrundlage zu nutzen – privat und in Organisationen. Damit wir dann auch sind, wer wir sein wollen.

Die Grafik zeigt neben den Perspektiven und Leitfragen auch die im Buch beschriebenen Entscheidungsmethoden und -tools.

Wir glauben: wer sein Entscheidungsrepertoire erhöht, der erhöht sein Handlungsrepertoire. Und wer sein Handlungsrepertoire erhöht, der erhöht seine Freiheit. Es wird dann weniger schlecht entschieden, wenn es gelingt, eine ganz grundlegende Entscheidungskompetenz aufzubauen: nicht nur einem Entscheidungsmuster zu folgen, nicht nur eine (noch so gute) Entscheidungsmethode zu verwenden. Wer – nach einem kurzen Innehalten – eine passende Perspektive für die Entscheidung und die Entscheidungsmethode wählt, erhöht seine Chancen, dass er/sie auch mit dem Ergebnis und den Konsequenzen der Entscheidung besser leben kann. So werden auch falsche Entscheidungen zu guten Entscheidungen.

Viel Spaß beim Lesen!

Ihre Doris Schäfer und Annika Serfass

PS: Unser Buch „Weniger schlecht entscheiden – praktische Entscheidungstools für agile Zeiten“ ist im Vahlen Verlag erschienen. Wir sind dankbar für die vielen tollen Beiträge unserer Kolleginnen und Kollegen, die ihre Lieblingsentscheidungsmethoden beschrieben haben. So können wir sicherstellen, dass sich wirklich jede enthaltene Methode in der Praxis bewährt hat.

Buch bestellen auf: thalia.at / vahlen.de / amazon.de


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