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Organisation und Mitarbeitende in einem neuen Verhältnis zueinander

Was wir immer öfter von unseren Kund:innen hören:

Führungskräfte erleben es als zunehmend schwieriger, ihre Rolle zu erfüllen. Sie sprechen häufig davon, dass sie sich heute (im Gegensatz zu früheren Jahren) als „machtloser“ erleben und unter mehr Druck von allen Seiten der Organisation stehen. Dem zu begegnen, wird immer aufwändiger. Zudem werden die dafür zu Verfügung stehenden Instrumente weniger und immer anspruchsvoller zu bedienen.

Zwei Beispiele:

Führung wird immer schwieriger. Es braucht mehr Kraft, damit man als Person akzeptiert wird. Doch die Zügel locker lassen, ohne Grundakzeptanz, geht nicht. Sonst fehlt das einigende Band, das die Dinge zusammenhält.

Das zu stemmen, vor allem für Führungskräfte ohne viel Erfahrung, ist schwierig.

(langjährige Bereichsleiterin in einem großen österr. Unternehmen im Gesundheitsbereich)

Führungskräfte sind aktuell ein bisschen verloren, weil sie fachlich nicht mehr alles verstehen und die Zügel nicht mehr so in der Hand haben wie früher. Die Welt ist komplex geworden, sodass man mehr ausgeliefert ist und viel abhängiger von den Mitarbeitenden und ihrer Expertise.

Es ist heute nicht mehr so attraktiv, Führungskräfte zu sein.

Diktatorische Führung (über Autorität) gibt’s heute nicht mehr, man muss sich mehr mit den Mitarbeitenden auseinandersetzten. Das Machgefälle nimmt immer mehr ab, die Anforderungen nehmen immer mehr zu und das tut sich nicht mehr jeder an.

(langjährige Personalleiterin eines großen österr. Logistikunternehmens)

Die Veränderung von Hierarchien in Organisationen

Der gesellschaftliche Rahmen für diese Entwicklung ist bereits seit vielen Jahren sichtbar und vielfach beschrieben. Hierarchien sind radikal abgeflacht und haben für Teamförmige Arbeitsformen und netzwerkartige Kooperationsmuster Platz geschaffen. Die Rolle von individueller Expertise nimmt immer mehr zu, was Organisationen von Eigenverantwortlichen, eigenständig urteilenden und mitdenkenden, engagierten Mitarbeitenden abhängig macht. Der hierarchische Unterschied zwischen den Ebenen ist zwar nicht verschwunden, aber seine Funktion hat sich grundlegend verändert.

Zunehmende Abhängigkeiten, wechselseitige Interdependenzen und Unkontrollierbarkeiten bedeuten letztlich, dass Spielräume größer werden, die für Machtkonflikte, wechselseitige Blockaden und mikropolitische Manöver genutzt werden können.

Die Paradoxie von Machteingriffen

Für das Management, das sich dieser Verhältnisse bewusstwird und (möglicherweise in bester Absicht) eingreifen möchte, ergibt sich hier allerdings eine wesentliche Paradoxie:

Diese Verhältnisse können nämlich durch einen Machteingriff nicht zum Positiven verändert, sondern nur noch mehr angeheizt werden.

Für die betroffenen Führungskräfte verschärfen sich die Bedingungen ihrer Arbeit, und das bemerken wir in unserer Arbeit mit diesen fast täglich. Zum einen müssen sie kundig und geschickt mehr und mehr auf Augenhöhe kommunizieren, zum anderen dürfen sie die macht-basierten Instrumente nicht gänzlich aus der Hand geben. Keine Führungskraft darf sich diese Möglichkeit nehmen, will sie so auch in Notfällen oder unter Druck handlungsfähig bleiben. Die Notwendigkeit zum Machteingriff bleibt also bestehen.

Warum Führungskräfte heute ein beidhändiges Geschick brauchen

Diese Zwickmühle kommt nun dadurch zum Ausdruck, dass Führungskräfte gleichzeitig über zweierlei Kommunikationmsmodi verfügen müssen. Gelebte Beidhändigkeit (Ambidextrie -> die Fähigkeit, die linke und die rechte Hand gleichgut benutzen zu können). Eine kundige Führungskraft muss diese beiden Kommunikationsmodi so verwenden, dass sie sich nicht gegenseitig beschädigen.

Die Rolle von Vertrauen?

Führungskräfte haben die Verantwortung, die Aufgabenerfüllung im Vordergrund zu halten und nicht zum Spielball von verdeckten Machtauseinandersetzungen zu werden.

Sie nutzen ihre Autorität, um Vertrauen solcher Art zu stärken, dass niemand der Beteiligten seine/ihre Macht ausüben muss, sondern (weitgehend) darauf verzichten kann.

Die Legitimation von Führung gründet damit ungleich mehr in der Interaktionsebene (gegenüber der formellen Ebene): das heißt auf Fachlicher Autorität, Einfluss und auf Vertrauen.

Die Arbeit von Führungskräften wird wahrlich nicht einfacher, und einige der Paradoxien, die sich zunehmend verschärfen sind nur auf der sozialen Ebene wirklich bearbeitbar, das heißt, wenn sie in Kommunikation gebracht werden.

Anmerkung: dies ist ein Auszug des Inputs, den ich im Rahmen eines Workshops auf der Changetagung 2024 in Basel, veranstaltet von der Fachhochschule Nordwestschweiz – Hochschule für soziale Arbeit gehalten habe.

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